last update: 24.02.2023 16:15

Über die frühe Schulzeit des jungen Wilhelm ist derzeit nicht viel bekannt. Die spärlichen Informationen sprechen von einem Besuch der Volksschule, sowie Privatunterricht. Beides wäre überhaupt nicht ungewöhnlich.
Einige Indizien sprechen dafür, daß er bereits in jungem Alter auf Internaten untergebracht war. Senftenberg bot dem Sprößling offensichtlich nicht die Möglichkeiten, die seine Eltern ihm angedeihen lassen wollten.
Ob und wenn ja, welche Pläne für die berufliche Zukunft des Filius bestanden, ist gleichfalls nicht überliefert.

Möglicherweise wurde Wilhelm durch seine Aufenthalte in Internaten bereits frühzeitig geprägt und es verwundert nicht, daß er später durch die halbe Welt zog. Und doch auch immer wieder und regelmäßig zu Besuch in Senftenberg weilte. Wenigstens solange noch ein Elternteil lebte.

Wilhelm, 10-jährig
(Weihnachten 1896)
Fünf Jahre nach dem Tod von Robert wurde Louise wieder schwanger. Sie brachte am 13. November 1898 ein kleines Mädchen zur Welt. Louise war zu diesem Zeitpunkt bereits 41 Jahre alt.
Das Nesthäkchen im Hause Hintersatz wurde von allen nur "Hanni" genannt.
Der vollständige Name lautet

Louise Johanna

Familie Hintersatz im Garten
hinter der Oberpfarre
(Oktober 1897)
Senftenberger Anzeiger (15. November 1898)
"Hanni" (Mai 1899)
Auszug aus dem Kirchenbuch der Deutschen Kirche zu Senftenberg (Taufen 1892 - 1902)
Johannas Taufe fand am 29. November 1898 statt.
Ab dem 19. April 1898 besucht Wilhelm die Königliche Landesschule Pforta bei Naumburg um dort seine schulische Ausbildung fortzusetzen. Den Platz (eine Freistelle) auf dieser eher elitären Bildungseinrichtung verdankte er mehr oder weniger der Einflußnahme des damals amtierenden Senftenberger Bürgermeisters Karl Ziehm.
Der Dank der Familie Hintersatz für diese Schützenhilfe fiel indes anders aus, als man sich das gemeinhin wünschen würde...
Wie einer Anzeige des Bürgermeisters Ziehm in Senftenberg wider den Oberpfarrer Hintersatz ebenfalls in Senftenberg wegen wissentlicher falscher Verleumdung aus dem Januar 1904 zu entnehmen ist, bestand abgesehen von den nachstehend näher geschilderten vereinzelten Fällen zwischen mir und dem Oberpfarrer Hintersatz auch im amtlichen Verkehr ein gutes Einvernehmen, wie auch zwischen meiner und seiner Familie stets gute Beziehungen unterhalten worden sind. Diese haben jetzt bedauerlicher Weise einen ganz bedeutenden Riß erhalten, hervorgerufen durch das undankbare Verhalten und Vorgehen des Beschuldigten gegen mich. Ziehm berichtete, daß er bereits fünf Jahre zuvor durch ein anonymes Schreiben an den Regierungspräsidenten in Frankfurt/Oder in fürchterlichster Weise denunciert und angeschwärzt worden sei. Schon damals verdächtigte er den Oberpfarrer als Urheber jenes Schreibens.
Er war sich jedoch nicht sicher und unterließ daher eine Verfolgung der Angelegenheit, auch um des lieben Friedens willen habe er es vorgezogen, mit dem Beschuldigten bis zum Monat October vorigen Jahres, zu welcher Zeit die beiliegende zweite Denunciation gegen mich ergangen ist, in Ruhe zu leben und freundschaftlichen Verkehr mit ihm zu unterhalten. Leider ist besagte Denunziation nicht mehr erhalten. Laut dem Beschwerdeführer wurde er in dem mit "A. Lehmann" unterzeichneten und mit 8.9.1903 datierten Brief an die Königliche Regierung in Frankfurt/Oder fälschlicherweise beschuldigt, in gröblicher Weise verleumdet und beleidigt.
Karl Ziehm
(27.10.1854 - 12.01.1913)
Senftenbergs Bürgermeister
von 1896 bis 1913
Ziehm leitete eigene Untersuchungen ein um den anonymen Briefeschreiber zu entlarven. Er schaltete sogar zwei Schriftsachverständige ein, die in ihren Gutachten einhellig urteilten, daß der Verfasser der gegen Bürgermeister Ziehm gerichteten pseudonymen Denunziation in der Person des Oberpfarrers Hintersatz zu suchen ist. Ziehm forderte von Hintersatz' Arbeitgeber, dem Königlichen Consistorium gegen ihn disziplinarisch einzuschreiten und ihn wegen seiner gegen mich verübten unverantwortlichen Handlungsweise zur Rechenschaft zu ziehen.
Im März des Jahres schaltete sich Ziehms vorgesetzte Stelle, der Regierungs-Präsident zu Frankfurt a.d. Oder, ein und versuchte die Angelegenheit irgendwie geräuschlos von der Tagesordnung zu bekommen. Grundsätzlich war man auf Ziehms Seite, sah aber, da man nur das Schriftsachverständigenurteil ins Feld führen konnte, Gefahren, daß die ganze Sache zu einem Bumerang werden könnte. Gerade in dem Falle eines für Hintersatz günstigen Ausgangs würde damit das Ansehen und die Autorität der sämtlichen Beteiligten unnötigerweise bloßgestellt werden.

Ob die Angelegenheit, zumal auch noch ein weiteres anonymes Schreiben einging, allgemein weiter verfolgt wurde, und wie diese ggf. ausging, ist leider nicht überliefert. Eine Konsequenz hatte das Ganze aber doch... Zuguterletzt erlaube ich mir noch hinzuzufügen, daß es mir nach Lage der Sache zur Unmöglichkeit geworden ist, seit dem Monat October v.J. an den von dem Herrn Oberpfarrer Hintersatz abgehaltenen Gottesdiensten teilzunehmen.

Zu seinen Eltern und der 12 Jahre jüngeren Schwester, die er scheinbar abgöttisch liebte, hält er stets brieflichen Kontakt...
Pforta, den 11.XI.1903

Mein geliebtes Schwesterchen!
Nimm zu Deinem Geburtstag auch vom Brüderchen viele Grüße und einen herzlichen Kuß hin. Mehr kann Dein Brüderchen nämlich vor der Hand nicht geben. Du weißt ja wohl, daß der Weihnachtsmann nicht mehr allzu lange ausbleibt. Ihm werde ich mein Herz ausschütten und ihn bitten, statt meiner, wenn freilich auch erst etwas später, Dir mein Liebling, etwas recht Schönes zu bringen. Schreib mir nur, was Du gern haben möchtest, doch halt – da fällt mir etwas sehr Schönes ein, aber verraten will ich dies noch nicht. Gedulde Dich also noch ein Weilchen. Hoffentlich bist und bleibst Du recht gesund und munter.
Viel Besuch und Vergnügen auch wünsche ich Dir zum Geburtstag.
Grüße Mutter und Vater schön. Zum Schluß noch einen innigen Kuß.

Dein Brüderchen Helmi.

Ein gewisses erzählerisches Talent scheint sich schon auszuprägen...
Pforta, den 14.VIII.1904

Meine lieben Eltern!
Vor allem sage ich Euch herzlichen Dank für den ersten Brief. Er hat mich sehr erfreut, zumal ich daraus ersah, daß es Euch allen gut geht. Sodann will ich gleich mit einer kleinen Freudenpost einsetzen.
In der ersten griechischen Arbeit habe ich eine II – I geschrieben.
Hoffentlich kommt und bleibt es auch im Übrigen so.
Um noch einmal auf die Feldstechersache zurückzukommen, so ist mir selbst eine solche Frechheit unbegreiflich. Polizeiliche Mittel, Haussuchung u. dergl. will Pforta nicht anwenden.
Ich glaube allerdings auch nicht, daß das irgendwelchen Zweck haben würde. Im Übrigen – man denke, daß so etwas hier vorkommen kann – habe ich noch Leidensgenossen. Am letzten Tag vor den Ferien ist einem andern eine Uhr, einem dritten 14 Mark gestohlen worden. Was soll man dazu sagen?
Über meine Schlipsnadel seid unbesorgt. Ich habe sie hier, trage sie sogar augenblicklich und halte sie im Übrigen jetzt gut versteckt.
Die elektrische Leitung ist gut gelungen. Das Licht brennt sehr schön. Nachher werde ich jedenfalls hören, was Muffen dazu gesagt hat. Gestern abend habe ich bei Frau Becker Thee getrunken und Kuchen gegessen.
Als Geschenk hat sie die Sache nicht annehmen wollen. Wir haben uns darein geteilt. Sagorski hat kürzlich der Unterprima aus Montenegro Zigaretten geschenkt, sodaß jeder 6, die Obersten 7 Stück erhielten.
Er hat auch erzählt, wie er sie durchgeschmuggelt hat. Es ist zum Schreien, wenn er selbst das erzählt. Wie er an die Zollstation kommt, wie sein Koffer durchsucht – nichts gefunden, dann eine ganze Reihe Pakete mit Pflanzen – nichts gefunden. Nun hat er noch eine große Botanisiertrommel mit. Da fragt ihn der Beamte, ob er etwas Zollpflichtiges darin habe. Jawohl, 200 Zigaretten will ich durchschmuggeln. Man macht auf. Oben liegen 2 Zigaretten, darunter Pflanzen. Der denkt natürlich, Sagorski hat Scherz gemacht und läßt ihn durch, hat aber nicht beachtet, daß in der Trommel noch ein Seitenfach war. Darin steckten die übrigen 198 Zigaretten. Zum Schluß sagte er noch: „Dabei bin ich doch ganz ehrlich gewesen, habe dem Mann doch gesagt, daß ich 200 Zigaretten durchschmuggele.“

Da Galle aus Meuro nicht raucht, habe ich 3 von ihm bekommen, von zwei andern auch noch je eine. 2 habe ich noch. Wenn Vati Appetit hat, will ich ihm in den Ferien eine davon mitbringen.
Wie Ihr wißt, war ich vorigen Sonntag in Naumburg eingeladen. Unterwegs strömte zwar der Regen. Aber sehr naß bin ich nicht geworden. Dort haben wir uns sehr gut amüsiert, haben auch gesungen.

Louise mit ihren beiden Kindern Wilhelm und Johanna
(Weihnachten 1904)
Pforta, Oberprima (Sommer 1904)

Nach dem erfolgreichen Ablegen des Abiturs, nach eigener Aussage mit guten Noten, verließ er die Landesschule Pforta am 23. Februar 1905 und startete seine militärische Karriere. Ob seine Noten tatsächlich so gut waren, wie er behauptete, davon kann sich ein jeder anhand seines Abiturzeugnisses ein Bild machen...

Fünf Tage später, am 28. Februar 1905, tritt er als Fahnenjunker in das Preussische Infanterie-Regiment von Stülpnagel (5. Brandenburgisches) Nr. 48 ein. Dieses Regiment war in Cüstrin (später Küstrin) beheimatet und dort in der "Neuen Kaserne" an der Landsberger Straße untergebracht.

Wilhelm wird später über die Anfangsjahre seiner miltärischen Laufbahn schreiben:

Meine Ausbildung zum Soldaten entwickelte sich sehr rasch und außerordentlich vielfältig. Ich leitete die Organisation der ersten Radfahrer-Abteilung im III. Armeecorps und erhielt eine Ausbildung als Kraftfahrer, am Maschinengewehr und über einen längeren Zeitraum auch in Artillerie. Bei anderen Gelegenheiten wurde ich über Militäradministration geschult, also über die Anforderungen einer mobilisierten Armee - die Beschaffung und Lagerung von Ausrüstung sowie den Transport und Austausch von Mensch, Tier und Material. Ich übernahm Aufgaben im höheren Generalstab (Divison und Armeecorps) und hatte damit die Möglichkeit, Praxiserfahrungen in Strategie und Taktik zu erlangen.

Diese Beschreibung deckt sicher einen längeren Zeitraum ab und ist nicht allein auf das Jahr 1905 zu reduzieren. Nichtsdestotrotz begann in jenem Jahr eine sehr dynamische Entwicklung die man auf den folgenden Seiten weiter verfolgen kann...

Wilhelm (ca. 1904/05)
Auszug aus der Rangliste der Königlich Preußischen Armee
und des
XIII. (Königlich Würtembergischen) Armeekorps
für 1908.