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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 15.Februar 1936
59.

Addis Abeba, 8. Dez. 1935.

Die Luftwaffe im italienisch-ethiopischen Kriege.

Von einer Luft-„Waffe“ auf ethiopischer Seite kann kaum gesprochen werden, da das Dutzend Flugzeuge, über das die ethiopische Regierung verfügt, restlos veraltet ist, also den modernen Flugzeugen des Gegners gegenüber ganz einfach als kriegsunbrauchbar bezeichnet werden muß. Bisher wurde daher noch kein ethiopisches Flugzeug zu Aufklärungs- oder gar Kampfaufgaben eingesetzt. Die Flugzeuge dienen vielmehr lediglich Verkehrs- und vor allem Transportzwecken. Als solche tun sie immerhin entsprechend ihrer geringen Zahl und Leistungsfähigkeit bei der Wege- und Bahnarmut Ethiopiens wertvolle Dienste. Fast täglich sind 1-2 Flugzeuge unterwegs. Anders natürlich sieht es auf der italienischen Seite aus. Da mögen immerhin etwa 300-500 moderne Maschinen eingesetzt sein. Die Italiener machen von dieser ihrer absoluten Luftherrschaft ausgiebigen Gebrauch. Einmal ist für sie – ebenfalls in Anbetracht der gewaltigen Strecken wegelosen Berg- und Wüstenlandes – das Flugzeug das Hauptmittel im Sinne der Aufklärung, und zwar sowohl der strategischen Fernaufklärung wie – in kaum minderen Maße – der taktischen Nahaufklärung. Die Aufgaben dieser Aufklärung sind aber außerordentlich schwierig. Die Ethiopier verstehen es nämlich meisterhaft, ihre Anwesenheit, und dies selbst in größeren Verbänden, durch ausgezeichnete Geländeausnutzung zu verschleiern. Zu ihren Märschen benutzen sie fast ausschließlich die Nachtzeit. Tatsächlich hat der italienische Heeresbericht als Ergebnis der Flieger-Erkundung, besonders an der Nordfront, wiederholt ethiopische Heeresbewegungen gemeldet, so solche gar nicht im Gange waren. Erstaunlich ist zudem die Tatsache, daß die italienischen Flugzeuge auf ihren Aufklärungsflügen sich in Höhen bewegen, die mindestens für die unerläßliche und gerade hier allein Täuschungen ausschließende „Augen-Beobachtung“ nicht mehr geeignet sind. Warum das geschieht, erscheint unerfindlich, da der italienischen Heeresleitung doch sicher ebenso wie ja allgemein bekannt ist, daß die wenigen dem ethiopischen Heere zur Verfügung stehenden Flugabwehrmittel Flugzeuge in einer Höhe über 1000 Meter kaum überhaupt gefährden.

Kommen wir nun zu der Verwendung der italienischen Luftwaffe als Bombenträger, so gilt diesbezüglich zunächst einmal dasselbe, was im vorangegangenen Satz zum Ausdruck gebracht wurde. Entsprechend sind naturgemäß auch hier die Ergebnisse, und dies durchaus auch unter Berücksichtigung der oben betonten Meisterschaft der Ethiopier in der Vertarnung ihrer Anwesenheit. Die Verluste an Menschenleben sind tatsächlich auffallend gering, wie mir von glaubwürdigen Augenzeugen nunmehr schon wiederholt mit detaillierten Angaben belegt wurde. Dazu kommt – besonders bei kleinen Kalibern – eine ganz erstaunliche Menge von „Blindgängern“, mehr noch von sogenannten „Ausbläsern“, mag das nun an mangelhafter Zünderkonstruktion oder an Zersetzung des Sprengstoffes liegen. Tatsächlich ist es vorgekommen, daß bei Bombenangriffen ca. 50 Prozent der Projektile versagten.
Auch als „Kampf“-Waffe weisen die italienischen Flugzeuge – und wieder in erster Linie wohl deshalb, weil sie sich in weitaus zu großen Höhen halten – böse Versager auf. Denn ganz gewiß ist es nicht Sinn ihres Fluges und der Abgabe eines rasenden Maschinengewehrfeuers, Getreidefelder niederzumähen, wenn in diesen sie offenbar darin vermuteten Ethiopiermengen gar nicht vorhanden sind. So entsteht bei der italienischen Heeresleitung manche böse Täuschung hinsichtlich vermeintlicher erfolge ihrer Luftwaffe, bei den Ethiopiern mehr und mehr eine Geringschätzung ihres Gegners in der Luft. Ich habe ethiopische Soldaten gesprochen, die unmittelbar von der Front kamen und mir übereinstimmend bestätigten, daß der ethiopische Soldat seine anfängliche Furcht speziell vor den feindlichen Fliegern wesentlich verloren habe.
Von einer „Flugabwehr“ auf italienischer Seite braucht nicht gesprochen zu werden, da es ja, wie oben gesagt, für die Italiener einen ethiopischen Gegner in der Luft nicht gibt.
Es muß aus den Tatsachen gefolgert werden, daß die italienische Luftwaffe in diesem Kriege den Erwartungen jedenfalls nicht entsprochen hat, die man in Kenntnis ihrer zweifellos ausgezeichneten Technik gerade auf sie gesetzt hatte.

60.

Addis Abeba, 12. Dez. 1935.

Nein, es war kein schönes Bild!

Es begann so, wie es immer beginnt: Ein Wort, ein angebliches Telegramm! Ein Berichterstatter sollte es von seiner Presse erhalten haben. Jeder wußte es. Es hatte es ja „jemand“ mit eigenen Augen gelesen! Und da war die Panik: Am 11. Dezember wird Addis Abeba bombardiert! Die Fremden raunten es einander zu. Durch die Ethiopier war es wie eine drahtlose Welle gejagt. Unruhe in den irgendwie interessierten Behörden. Ja, selbst „Diskussionen“ auf den diplomatischen Vertretungen, wo sich drei Lager entwickelten. In einem hieß es: Ausgeschlossen; denn elf Staaten gegenüber, die hier ihre Leute wohnen haben, habe Italien sich verpflichtet, Addis Abeba und Dire-Daoua nicht zu bombardieren. Ein Vorsichtiger: Das heißt mit der Einschränkung, solange die Orte nicht Truppenkonzentrationen in sich beherbergen würden, was freilich zur Zeit auch nicht der Fall ist.
Im zweiten Lager klang’s so: Bombardement an sich wohl möglich, jedoch keinesfalls so urplötzlich, sondern nach vorausgegangener Warnung an das diplomatische Korps! Im dritten Lager: Durchaus möglich; denn den Italienern ist jede Gemeinheit – in der Diplomatensprache heißt’s natürlich anders! – zuzutrauen. – Auch hier gibt ein nicht ganz so engagierter Italienerfresser eine kleine Einschränkung: Man wird aber wohl nur die irgendwie militärisch interessanten Objekte bewerfen, wie die beiden Radiostationen, die Post, die kleinen Depots um den Bahnhof herum und natürlich die kaiserlichen Palais. Freilich, bei der gewohnten Flughöhe der Italiener kann solch Knallbonbon auch ein kleineres oder größeres Streckchen – daneben gehen!

Das Resultat aus alledem: Die Stadt für den 11. Dezember mindestens „bedroht“! Die Folgerungen der Ethiopier: Der kluge, furchtlose und energische Gouverneur Blate Takele Hawariat – wohl in Voraussicht der Möglichkeit „andersartiger“ Auswirkung des Bombardements, beziehungsweise der mit diesem verbundenen Panik – traf die durchaus zweckmäßige Maßnahme erheblich verstärkten und gut verteilten Polizeischutzes. – Die Masse strömte aus der „bedrohten Stadt heraus, teils auf den – wohl seiner Höhe wegen für sicher gehaltenen – Antoto-Berg, um nach Beendigung der Gefahr wieder zu gewohntem Leben in die Stadt zurückzukehren – , teils aber auch, mit dem Allernötigsten beladen, hinaus ins Land um der ungastlichen, beziehungsweise so gefährlichen „Neuen Blume“ für die Dauer des Krieges den Rücken zu kehren.
Und die Folgerungen der „Weißen“? Zu Reittier und im Kraftwagen begann die weiße Völkerwanderung am 11. Dezember des Jahres des Heils 1935 um – 5 Uhr früh, soweit man nicht vorgezogen hatte, schon am Tage vorher in die nähere oder auch weitere Umgegend der Stadt zu gehen. Die Gesandtschaften mußten in ihrem für sicher gehaltenen Gelände ihre Pforten weit offen halten und den angstgequälten „compatriotes“ Gastlichkeit gewähren.
Das Ganze ein trauriges Bild, das nicht so schlimm gewesen wäre, wenn es wenigstens nur Frauen gewesen wären, die ihre ängstlichen Gemüter außerhalb der Stadt beruhigen wollten. So aber –: die Ethiopier, soweit sie tapferer Art waren, kicherten hinter den „tapferen“ Weißen her. Die Taxibesitzer und mit bekanntem „Nebenbegriff“ die Herren Chauffeure machten ein fabelhaftes Geschäft. Es hat Fahrten von nur wenig Kilometer gegeben, die mit 100 Thalern bezahlt wurden. Und die Ethiopier, die das natürlich auch hörten, kicherten wieder.

Nein, es war kein schönes Bild!