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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 5. September 1935
IV.

Der ethiopische Außenhandel

Adis Abeba, 4. August 1935.

Die Regelung und Kontrolle des ethiopischen Außenhandels liegt in den Händen des Handelsministeriums in Adis-Abeba. Der Chef des Ministeriums ist Herr Ato Makonnen Habte Wold, ein Vollblutabessinier, dessen Alter die Mitte der dreißiger Jahre kaum übersteigen dürfte. Herr Makonnen ist der Prototyp dessen, was man bei uns vulgär mit dem Wort „Arbeitstier“ zu bezeichnen pflegt. Tatsächlich arbeitet der jugendliche Minister 14 – 16 Stunden täglich und leistet mit seiner Tatkraft und Intelligenz unsagbar Wertvolles für seinen Herrscher, sein Volk und Land. Ihm zur Seite steht für kommerzielle wie technische Fragen ein Deutscher, der Chemiker Dr. Kurt Ewert, ein Mann von hervorragender Intelligenz und praktischer Fähigkeit. In Ethiopien – der Abessinier will von der Bezeichnung „Abessinien“ und „Abessinier“ nichts wissen – seit 11 Jahren weilend, befindet Dr. Ewert in seiner jetzigen Stellung sich seit 6 Jahren. Fließend beherrscht er in Wort und Schrift Amharisch wie Galla, die Hauptverkehrssprachen des Landes. Darüber hinaus aber spricht er Arabisch kaum minder wie die europäischen Gebrauchssprachen. Als Ministerialrat im Innenministerium ist er zugleich Leiter der Abteilung „öffentliche Gesundheitspflege“. Das Handelsministerium ist in der Tat vorzüglich organisiert und stellt den wesentlichen Faktor des gesamten ethiopischen Wirtschaftslebens dar; denn den weitaus größten Teil der Einkünfte des Staates bilden die Ergebnisse aus den Import- und Exportzöllen. Nebenher: Europäer zahlen hier weder direkte noch indirekte Steuern. Die Struktur des Zolltarifs ist folgende: Für jede Provinz ernennt der Handelsminister einen Nagadras, d. i. Chef („Haupt“) des Handelns, dem sämtliche Zollstationen unterstehen. Die Hauptzollstationen sind:

  • 1. Adis-Abeba, wo der Im- und Export, der über Djibouti läuft, bearbeitet wird;
  • 2. Dire-Daoua mit dem gleichen Arbeitsbereich;
  • 3. Harrar mit dem Arbeitsbereich Djibouti und Berbera;
  • 4. Djigdjigga mit dem Arbeitsbereich Berbera;
  • 5. Wollo mit dem Arbeitsbereich Außa;
  • 6. Jedjou mit dem Arbeitsbereich Eritrea;
  • 7. Gore mit dem Arbeitsbereich Gombela (im anglo-ägypt. Sudan)
Darüber hinaus gibt es etwa 12 weitere kleinere Zollstationen für Im- und Export, die aber weniger Bedeutung haben, wie z.B. Ginir (Prov. Bali), Gardula (Prov. Borana), Kellem (Prov. Sayo), Adua (Prov. Tigre), Kesalla (Prov. Semien) und einige Zollstationen in den Provinzen Godjam und Gonder, die von Dergusch (Sudan) beliefert werden. Von den zuerst aufgeführten 7 größeren Zollstationen existieren sehr genaue Import- und Exportstatistiken, während von den kleineren solche bisher noch nicht gefertigt wurden. Der Hauptexportartikel Ethiopiens ist Kaffee, nächstdem Ochsenhäute, Schaf- und Ziegenfelle, Wildhäute aller Art, Wachs, Zibet (zur Herstellung feinster Parfüme), Elfenbein, Gold und Platin.

Der ethiopische Zolltarif umfaßt etwa 2000 Artikel. Die Zollsätze betragen für alle Artikel mit Ausnahme von Wein, Schaumwein, Bier und Spirituosen, die unter 8% bezahlen, 10% der um 25% erhöhten cif Djibouti-Fakturen oder 10% der um 50% erhöhten fob-Fakturen. Außer dem Importzoll werden noch folgende Abgaben erhoben:

Schul-Abgabe: Für 10 Thaler Wert (Thaler = 1,10 RM.) 1 Piaster ( 6 ½ Pf.), Coty (für Plombierung, Bewachung usw) für 100 Kilogramm Ware 1 Thaler; Droits d’accise et de consommation je nach Warengattung 5 centimes (4 Pf.) bis 30% ad valorem. Es bezahlen beispielsweise Baumwollstoffe an droits baccise 5 – 15 centimes p. Kilogramm; Artikel aus Kunstseide 20% ad valorem; Parfümerien und Toilettseifen 30% ad valorem. Daher betragen die Einfuhrzölle für manche Artikel bis zu 45% des Fakturenwertes.

Ueber die Zollstation Adis-Abeba liefen im ethiopischen Jahre 1926 (d. i. v. 12. September 1933 bis 12 September 1934) für 8 075 542 Thaler Exportgüter. Deutschland importiert zur Zeit sehr wenig ethiopische Exportware, während noch vor wenigen Jahren ein erheblicher Teil der ethiopischen Häute und felle nach hamburg ging. Der Import Ethiopiens kann auf 20 – 22 000 000 Thaler pro anno geschätzt werden. Im ethiop. Jahre 1925 (1932/33) wurde in Adis-Abeba für 14 316 660 Thaler Importware verzollt. Davon fallen 6 551 279 Thaler auf „Abudjedid“, d. i. ungebleichter Baumwollstoff, meist japanischer Provenienz;

77 748 Thaler auf Kuta und Kudja, d.i. „Togen“, die ethiop. Ueberwürfe, die die Nationaltracht darstellen; 3 143 649 Thaler auf Dir und Mag, d.i. Webgarne japanischer und englischer Provenienz.

Aus dem Jahre 1926 (nach unserer Rechnung 12. September 1933 bis 12. September 1934) liegen bestimmte Angaben über das Verhältnis von Import und Export vor. Danach betrug der Export 15 054 305, der Import 21 875 440 Thaler. Ueberraschenderweise war und ist die ethiopische Handelsbilanz trotzdem aktiv, und zwar durch a) den unfühlbaren Export, b) den Touristenverkehr, c) die Gesandtschaften, die zahlreichen Missionen usw.

Deutschland liefert nach Ethiopien in erster Linie Medikamente, Chemikalien, Farben, und zwar insgesamt für etwa 250 000 Thaler. Dazu kommen für etwa 200 000 Thaler Eisenwaren. Der weiter Import aus Deutschland erstreckt sich auf Strumpf- und Wirkwaren, Geschirre (Emaille und Aluminium), Maschinen, Nähmaschinenersatzteile, Sicherheitsnadeln, billige Uhren, Bürobedarfsartikel, Photo- und elektrische Artikel, Vorhängeschlösser, Lampen und Sturmlaternen, Schuhleder und Schuhe, billige Seifen und Parfüme, Zigarren (das hiesige Tabakmonopol bezieht den an sich allerdings geringen Bedarf an Zigarren fast ausschließlich aus Deutschland) und Bier (der Firmen Beck und Dreßler). Alles in allen aber beträgt der Import Ethiopiens aus Deutschland nicht mehr als höchstfalls 2 000 000 RM. Nach sachverständiger Ansicht dürfte eine Steigerung des deutschen Exports nach Ethiopien durchaus möglich sein, insbesondere an Medikamenten, kaustischer Soda, Zement, Seifen, Eisenwaren, elektrischen Artikeln, kleineren landwirtschaftlichen Maschinen, Strumpf und Wirkwaren, Schuhleder und Photoartikeln. Hierzu wäre erforderlich eine wesentlich intensivere Bearbeitung des ethiopischen Marktes durch die führenden deutschen Firmen, deren Vertretung hier z.T. in Händen von Nicht-Deutschen liegt, die ganz naturgemäß ein spezielles Interesse am deutschen Export nicht aufbringen. Die deutsche Industrie sollte sich des Ansehens der deutschen Gesandtschaft in Ethiopien bewußt sein und durch weitaus regere Bearbeitung des hiesigen Marktes einerseits die rege Arbeit der Deutschen Gesandtschaft in deutschem Interesse fördern, andererseits aus rein egoistischen Erwägungen heraus den ethiopischen Markt sich nutzbar zu machen suchen!