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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 23.November 1935
40.

Addis Abeba, 4. Nov. 1935.

Die ethiopische Post.

An der Spitze der ethiopischen Postverwaltung steht das Post-Ministerium. Postminister ist zur Zeit der Kanjasmatsch („General des rechten Flügels“) Tekle Markos.

Postminister Kanjasmatsch Tekle Markos

Sein Generaldirektor ist Ato Bellatjo, der bereits zu wiederholten Malen die ethiopische Regierung vor dem Haager Schiedsgericht und auch in Genf vertreten hat.

Ato Bellatjo, Generaldirektor des Post-Ministeriums

Die Organisation des Post-Ministeriums selbst darf man ohne weiteres als modern und zweckmäßig bezeichnen. Das Personal spricht ohne Ausnahme mindestens französisch und erledigt ohne Beistand europäischer Ratgeber alle Angelegenheiten mit dem Weltpostverein in Bern. Wenn man berücksichtigt, daß noch vor wenigen Jahren in Ethiopien kaum mehr als schwache Ansätze eines bescheidenen Postverkehrs in primitivster Form vorhanden waren, so muß man die inzwischen erzielten Fortschritte wirklich anerkennen. Selbstverständlich besteht heute zunächst einmal die Möglichkeit, Briefe und Pakete von und nach allen Bahnstationen der Djibouti-Bahn aufzugeben. Darüber hinaus gibt es Postämter in folgenden Orten des Landes: In Addis Abeba 2 (einschließlich des Bahnpostamtes); je 1 in: Diredaoua, Harrar, Djigdjigga (Prov. Ogaden), Asbe-Tafari (Prov. Tschertscher). Post-Agenturen finden wir auch in kleineren Orten der Provinz Arussi, Sidamo, Bali, Lekemti, Djimma, Kaffa, Gofa und Guma. Ein größeres Postamt wieder gibt es in Gore (Prov. Wollega). Weitere Agenturen finden wir in den Städten Debre ((d.h. Kloster) Tabor, Ankober, Debre Markos (alle drei in der Provinz Gonder gelegen), in Fitsche (Prov. Salale), in Dessje (Prov. Wollo), in Adua und Aksum (Prov. Tigre), jetzt von den Italienern besetzt. Nach allen diesen Postämtern und – Agenturen kann man überall da, wo Postämter und Postagenturen sind, sowohl Briefe wie Mustersendungen aufgeben. Da die Beförderung entweder durch Läufer oder durch Karawanen, wo möglich auch durch Lastautomobile erfolgt, können Pakete nur in beschränkter Anzahl und nur in gewissen Raum- und Gewichtsgrenzen angenommen werden; und das auch nur in der Trockenzeit, da in der Regenzeit lediglich Läufer das aufgeweichte und durch hochgeschwollene Flußläufe für jedes andere Verkehrsmittel ungangbare Gelände überwinden können. Was aber ein solcher „Läufer“ sowohl an Gewichtstransport wie an Schnelligkeit leisten kann, das ist geradezu ungeheuerlich und klingt kaum überhaupt glaubhaft. 25 bis 30 Kilogramm Gewicht trägt der Läufer mühelos 50 bis 60 Kilometer täglich! Von Addis Abeba aus ist wöchentlich einmal Postabgang nach den Aemtern und Agenturen des Landes. Besonders eilige Nachrichten lassen daher Kaufleute, Missionen, Konsulate und ethiopische „Chefs“ (höhere Würdenträger) auch heute noch durch Privatläufer befördern, die ihren Brief in einen oben gespaltenen Stock gezwängt fast durchweg im Laufschritt – so erreichen sie bis zu 80 Kilometer am Tage! – zum Ziele bringen. Bei der Organisation der großen Postämter, wenigstens in der Hauptsstadt Addis Abeba, sollte nun wohl eigentlich alles recht schön „klappen“.
Ganz so ideal sieht das freilich nicht aus. Kommt da z.B. ein Brief an Herrn Robert Paul Friedrich Erich Müller-Seiler, so hat dieser alle Chancen auf Wochen, Monate oder für die Ewigkeit „unterzutauchen“, bzw. als unbestellbar nach dem Ausland, aus dem er kam, zurückzuwandern. Denn jenen Herrn „Müller-Seiler“ sucht man unter R, P, F, E und – vielleicht!!! – auch mal unter „M“ oder „S“. Tatsächlich sind viele Europäer, den Ethiopiern nur unter ihrem Vornamen bekannt. Da ist z.B. der Besitzer des großen Hotels „Impérial“, ein gewisser Georges Mandrakos, ein Grieche. Vergeblich würde man deisen Herrn unter seinem Namen „Mandrakos“ suchen. Ihn kennt man und kennt also auch die Post nur unter seinem Vornamen „Monsieur“ (hier gesprochen Moussé) Georges. Fast alle hier ansässigen Europäer halten sich daher eine Postbox (P.O.B.). Freilich, auch das gibt keine Garantie. Da geschah es kürzlich, daß eine Frau B., von längerer Reise zurückkehrt, einem Herrn F. einem von diesem längst und dringlichst erwarteten Brief zustellte, den sie nach Rückkehr in ihrer Postbox vorgefunden hatte. Da geschieht es auch, daß ein Brief an einen Herrn H.e.R., obwohl deutlich sowohl Haus wie Postbox darauf vermerkt war, schon vierzehn Tage als „unbestellbar“ auf dem Amt lagert, bis ganz zufällig – man kann aus den Stößen angesammelter „unklarer“ Briefe sich aussuchen, was man eben nehmen will! – ein Bekannter ihn unter Lagersachen findet, freundlichst an sich nimmt und zustellt. Freilich haben – besonders jetzt – die ethiopischen Postbeamten es auch nicht leicht. Da gibt es deutsche, englische, französische, griechische, russische, polnische, arabische, hindostanische und sonstige Anschriften in allen Sprachen und Schriften der Welt. Ich glaube, in diesem Schriftwirrwarr würden selbst die weltbekannt findigen deutschen Postbeamten dann und wann verzweifeln. Hierzu kommt übrigens, daß – offenbar prinzipiell – alle aus arabischen und indischen Aufgabeorten eingehenden Postsendungen ungenügend frankiert eingehen. Es gibt da recht erquickliche Einnahmen der hiesigen Post an Strafporto. So beobachtete ich kürzlich, wie innerhalb weniger Minuten, die ich am Schalter weilte, der Beamte 12 Thaler von Indern an Strafporto einkassierte.

Gehen wir nun zum Telefon- und Telegrafendienst über: Da gehen vom Hauptpostamt Addis Abeba aus in sämtliche Provinzen des Landes strahlenförmig Telephonleitungen. Eine direkte Telephon-Verbindung auf Strecken über 100 Kilometer gibt es nicht, da die Leitungsdrähte durchweg nur aus verzinktem Eisendraht bestehen, zu dem oft auch noch mangelhaft isoliert sind. In früheren Zeiten – dann und wann bzw. hier und da auch heute noch! – pflegten die Eingeborenen ihren Bedarf an Draht wesentlich aus diesen Telefonleitungen zu decken. Dann ging erst eine große und zeitraubende Suche los, wo die Lücke sei, bei Leitungen, die doch zirka 800 Kilometer liegen, z.T durch unwegsamste und auch „gefährliche“ Gebiete führen, immerhin ein langwieriges Unternehmen. Man hat infolgedessen jetzt die Strecken eingeteilt in „Relais“ von 50 bis 60 Kilometern, selten darüber.
Spricht nun jemand von Addis Abeba aus nach z.B. Dessje, spricht er direkt nur bis z.B. Ahajafetsch, d. i. etwa 100 Kilometer (hier also recht reichlich, d.h. in Trockenzeit, angenommen, während in der Regenzeit sicherlich ein dazischenliegendes Relais einspringen muß) nördlich Addis Abeba und etwa 200 Kilometer südlich Dessje. In Ahajafetsch wird das Gespräch postlich aufgenommen und Satz für Satz bis zum nächsten Relais und so fort bis zur Endstation weitergesprochen, wo, herangerufen, sehr indirekt also, der Empfänger es aufnimmt. Notabene muß man, um innerhalb des Landes telephonisch durchzukommen, fließend amharisch sprechen, da von den Relaisbeamten keiner eine andere Sprache versteht. Das Telephonieren ist eine besondere Freude in der Regenzeit, weil da die Gewitterstörungen eine Verständigung bis schon zum nächsten Relais oft lange Zeit unterbrechen. Doch auch sonst …! Da hatte ich z.B. in Addis Abeba, wo es etwa 100 Anschlüsse gibt, gerade gestern ein dringendes Gespräch zu führen. Eine halbe Stunde verzweifelten Drehens an der Klingelkurbel – Pause – eine weitere halbe Stunde. Ja, ich kam nicht einmal bis zum Amt, geschweige denn bis zu der Gesandtschaft, die ich dringlichst zu erreichen suchte.

Privat-Briefträger
Lasten-Läufer

Das Wort „Telegramm“ müßte man hier eigentlich tilgen. Ein „Telegraphieren“ – also ein „Fern-Schreiben“ – gibt es ja nicht. Telegramme werden hier vielmehr dergestalt aufgegeben, daß der Beamte den aufgeschriebenen Text in der oben besagten Form – jedoch die Buchstaben ersetzt durch Zahlen! – durch bzw. „weiter“-spricht, bis er, Relais über Relais, am Bestimmungsort ankommt.
Die telegraphische Verbindung in Ethiopien ist übrigens wesentlich weitergehend ausgebaut als die postalische. Man darf wohl sagen, daß die Hauptstadt mit jedem größeren Ort des Landes telegraphisch verbunden ist.
Zwischen Addis Abeba und dem Auslande gibt es nur zwei Telegraphenleitungen, die ein nach Djibouti (längs der Bahn), die andere – jetzt natürlich unterbrochen! – nach Asmara. Im übrigen vermitteln den Telegraphenverkehr mit dem Auslande durchweg die beiden Radio-Stationen von Addis Abeba (eine kurz-, eine langwellig) und die kurzwellige Station in Harrar. Innerhalb des Landes gibt es in Dessje und Godjam noch je eine kurzwellige Radiostation, die aber beide nur dem Inlandsverkehr dienen. Die Armee schließlich verfügt über 4 Kurzwellen-Sender und –Empfänger, die (zur Zeit aber noch in Addis-Abeba) demnächst zur Front übergeführt werden sollen.
Der letzte Zweig der postalischen Organisation ist der postliche Geldverkehr. Dieser erfolgt hier lediglich in Form von Postanweisungen, und auch nur von Postamt zu Postamt. Agenturen nehmen Postanweisungen nicht an. Postscheckverkehr gibt es noch nicht. Der Geldverkehr läuft nach Sachlage nur zu geringem Teile überhaupt über die Post. Man behilft sich durch Zahlungsanweisungen an die Agenturen der Staatsbank, soweit (auch das ist ja nur in geringstem Umfange der Fall) solche vorhanden sind., und schickt das Geld im übrigen mit Karawanen mit. Eine allerdings selten benutzte Gelegenheit geldlicher Ueberweisungen ist schließlich noch die Inanspruchnahme von Zollstationen. Das geschieht dergestalt, daß der Aufgeber das Geld einzahlt in die Kasse der Zollverwaltung. Diese weist auf telegraphischem Wege ihre Zollstation in dem Ort des Empfängers zur Auszahlung der entsprechenden Summe an; und das geschieht sogar ohne Gebühren!
Der modernste Weg der Beförderung von Briefen und Paketen ist bekanntlich die Flugpost. Auch die hat es in Ethiopien schon gegeben. Die Praxis hat aber bald erwiesen, daß eine Verbindung lediglich zwischen Addis Abeba und Djibouti zu halten war. Auch diese Verbindung gestaltete sich im Laufe der Zeit unrentabel. So wurde der gesamte Flugpostverkehr in Ethiopien vor etwa 2 - 3 Jahren wieder eingestellt. Immerhin können innerhalb des Landes, d. h. nach den Orten, die von den Regierungsflugzeugen angeflogen werden, Briefe und auch Pakete den Flugzeugen mitgegeben werden, d.h. gegen eine recht beträchtliche und daher nur in ganz wesentlichen Fällen lohnende Gebühr.


41.

Addis Abeba, 30. Oktober 1935.

Das ethiopische Steuerwesen.

Bei Steuern unterscheidet man natürlich auch in Ethiopien zwischen direkten und indirekten Steuern. Die direkten Steuern sind in Ethiopien allerdings kaum nennenswert. Es gibt ein Tabak-, ein Streicholz-, ein Alkohol-, ein Salz- und ein Holzkohle-Monopol. Die Preiserhöhungen durch die Monopol-Abgabe für Tabakwaren und Streichhölzer ist sehr gering. Es kostet beispielsweise eine Zigarette (und zwar sowohl die im Lande gefertigte wie die aus Aegypten oder Griechenland!), die etwa einer deutschen Fünf- oder Sechspfennigzigarette durchaus gleichwertig ist, trotz des Monopols noch nicht einen Pfennig. Zigarren, die übrigens ausschließlich aus Deutschland importiert werden, sind allerdings teurer. Streichhölzer kosten etwa 3 ½ Pf. Pro Schachtel. Bei diesen Preisen muß man außerdem berücksichtigen, daß die Djibouti-Bahn die Bahn ist, die von allen Bahnen der Erde sowohl für Frachten- wie für Personen-Beförderung die höchsten Tarife aufweist. Die Abgabe des Alkohol-Monopol ist ebenfalls gering. Der Alkohol wird fast durchweg im Lande selbst hergestellt, und zwar aus Gerste oder aus „Tef“ (poa abessinica). Der Kleinverkaufspreis für 1 Kilogramm Alkohol ist 3,25 Thaler, d.i. weniger als 3 RM. Das Salz-Monopol hat den Preis des Kochsalzes zur Zeit auf 18 Thaler pro 100 Kilogramm festgesetzt, d.i. 16,20 RM. deutscher Währung. Der Verbrauch an Holzkohle beschränkt sich in Ethiopien fast ausschließlich auf Hausbrand in Addis Abeba. Der Umsatz ist demgemäß unbedeutend. 1 Sack (übliches Format) kostet zur Zeit 1 ¾ Thaler. Während das Alkohol-Monopol Staats-Monopol ist, sind die übrigen Monopole gegen eine jährliche Mindestabgabe an Privatfirmen vergeben.: Das Tabakmonopol an das Haus Matik Kevorkoff, das Streichholzmonopol an die Soziéte des Salines in Djibouti, das Holzkohlemonopol schließlich an die türkische Firma Hanafi.
Für Benzin und Petroleum erhebt die Munizipalität der Landeshauptstadt Addis Abeba eine indirekte Abgabe, die aber nur gering ist. Als weitere indirekte Abgaben kann man wohl auch die Importzölle betrachten, die je nach Warengattung 15 – 45 % der sob-Fakturenwerte betragen. Diese Importzölle sind für einige Artikel des täglichen Bedarfes ganz entschieden zu hoch. So zahlt charakteristischerweise Zahnpasta 45 %. Es mag dies daher kommen, daß die Ethiopier mit ihrem beneidenswerten Zahnwerk, das sie nur mit Holzstäbchen säubern, deren Spitze sie mit den Zähnen bürstenartig zerfasern, in der Zahnpaste einen ausgesprochenen Luxus-Artikel sehen. Hoch verzollt werden auch Toiletteseifen und andere notwendige Toiletteartikel. Der Import an diesen Artikeln ist daher natürlich sehr zurückgegangen.
Dazu kommen als indirekte Abgaben die vom Handelsministerium wie aber auch von den Provinz-Gouverneuren für Landes-Produkte erhobenen Innen-Zölle. Diese übersteigen selten 5 – 10 % des Warenwertes. Die Preise für inländische Erzeugnisse sind daher sehr niedrig. So kostet zur Zeit ein Hammel 1 ¼ Thaler mit Fell, das man für 1 Thaler verkaufen kann, so daß das Fleisch eines ganzen Hammels nur etwa 22 Pfennig kostet. 17 Kilogramm Kaffee kosten 6 Thaler = 5,40 deutsche Mark! Butter im Gewicht von 17 Kilogramm kostet 10 Thaler, also 9 deutsche Mark. Ein Mast-Ochse kostet zur Zeit 120 – 15 Thaler, also 9 – 13,50 Mark. Dabei ist wiederum das Fell zu berücksichtigen, das 6 Mark pro 17 Kilogramm bringt, so daß effektiv 1 Pfund Ochsenfleisch hier nur wenige Pfennige kostet.

Ein Ei kostet nur den Bruchteil eines Pfennigs, 1 fettes Huhn 15 Pfennig. Unerhört billig sind Gemüse wie Früchte auf dem Lande. Zum Beispiel brachten heute 25 große und wunderbar aromatische Mandarinen 80 – 85 Pfennig, und dies noch dazu im Geschäft (Preise auf dem großen Markt sind noch billiger). Diese Aufzählung ließe sich so seitenlang fortsetzen. Doch zurück zur Steuer: Direkte Steuern – die in Ethiopien ansässigen Fremden sind gleich den ethiopischen Beamten davon befreit! –tahlen nur Grundbesitzer, die den Zehnten ihres Bodenertrages in Geld oder Naturalwerten abgeben, und die Provinz-Gouverneure, die einen Teil ihrer Einnahmen (bestehend aus den oben besagten Zöllen und Landabgaben) an die Regierung abführen. Auch eine Kirchensteuer gibt es in Ethiopien. Von dieser sind auch die Beamten nicht befreit. Die Kirchensteuer ist oft recht erheblich, d.h. in den Sprengeln, die über große Kirchen verfügen. Dies nämlich weisen eine ganz ungeheuerliche Anzahl von Geistlichen auf, teils bis zu 400, die alle von der Bevölkerung – und zwar nicht schlecht! – erhalten werden müssen.
Erbschafts-, Vermögens-, Wechsel-, Wertzuwachs- oder gar die üble Hauszinssteuer, sowie alle die anderen zahlreichen Steuern und Steuerchen, die uns in Europa so bitter zu quälen wissen, die gibt es in Ethiopien – bisher! – noch nicht.
Der geplagteste Steuerzahler in Ethiopien ist unstreitig der Bauer, den man überhaupt als den tatsächlichen „Sklaven“ bezeichnen muß. Der Bauer ist fast nie Eigentümer des Landes, das er bestellt. Er muß nicht nur den Zehnten für die Regierung abgeben, sondern einen großen Teil seines Ertrages an den Grundherrn, an die Kirchen, an die durchziehenden Regierungs-Karawanen, an die Soldaten des Gouverneurs und so fort. Es ist daher keine Seltenheit, daß ein Bauer bis zu 75 % des Ertrages seiner Arbeit tatsächlich abzuführen hat. Infolge der mittelalterlichen Methoden der Landbestellung sind die Bodenerträge trotz fruchtbarster Ackererde an sich schon gering. Die vielen Viehseuchen (Lungenpest, Maul- und Klauenseuche u.a.) vernichten jährlich einen erheblichen Teil des Viehbestandes. Die alleinige Möglichkeit, überhaupt zu existieren, gibt oftmals dem Bauern nur seine Bedürfnislosigkeit. Für Kleidung gibt er – für sich und seine Familie – nur wenige Thaler jährlich aus. Fleisch ißt der Bauer selten. Seine tägliche Nahrung sind gerösteter Weizen und geröstete Kichererbsen. Dazu trinkt er reichlich Milch und dann und wann den geliebten „Talla“, das ethiopische National-Bier, das man im Hause aus Gerste und anderen Cerealien bereitet. Ethiopien wird oft als das „Land ohne Hunger“ bezeichnet. Das wird durchaus nicht unberechtigt gesagt. Infolge der Billigkeit der Lebensmittel und sämtlicher zum Lebensunterhalt notwendigen Bedarfsartikel kann der Eingeborene tatsächlich mit ganz wenigen Thalern, (notfalls schon mit 3 – 4 Thalern = 2,60 – 3,60 M. monatlich) leben. Das durchschnittliche Gehalt eines unteren Regierungsbeamten oder eines Dieners beträgt 8 – 10 Thaler. Davon muß er sich und seine etwaige Familie kleiden, ernähren und die Wohnung bezahlen. Zahlt also der ethiopische Bauer an sich wohl ganz unerhörte Steuern, so steht selbst er noch dem steuergepeinigten Europäer gegenüber günstig da, d.h. immer wieder, weil eben die Lebensunterhaltungskosten ungemein niedrig und die Bedürfnisse ebenso gering sind.
Die Eintreibung der Steuern ist übrigens nicht rigoros. Wer es versteht, recht kläglich zu betteln, erhält oft erheblichen Nachlaß, dann und wann sogar befristete Steuer-Befreiung.