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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 2.November 1935
33.

Addis Abeba, 7. Okt. 1935.

Die Lage in Ethiopien.

Am 29. September 1935 drahtete ich: „Negus informierte Völkerbund Generalmobilmachung unaufschiebbar, da nach Mitteilung Völkerbunds friedliche Konfliktlösung aussichtslos“.

Am 3. Oktober folgte meine Drahtung: „Soeben Mobilmachung proklamiert. Kriegstrommel dröhnt. Menge begeistert, aber diszipliniert. Italienische Flugzeuge bombardieren Adua und Adegrad. Provinz Agame Schlacht.“

Die Kriegstrommel wird geschlagen!
Ja, begeistert war am 3.10. die Masse, aufgepeitscht durch den dumpfen Ton der großen Trommel, deren Klang immer nur Krieg ansagt. Und in ihrer Begeisterung, wild die Speere, die Schwerter, die Flinten oder Revolver schwingend, gelle Kriegsrufe ausstoßend, drang sie vor, durchbrach sie die Absperrungen. Im Handumdrehen war meine Frau von meiner Seite gerissen, waren wir beide im Wirbel der schwarzen Gesichter untergetaucht. Was würde nun folgen, wo diese wilde Menge doch schon von den furchtbaren Bombardements der Städte Adua und Adregrad und den Opfern auch an Zivilbevölkerung wußte? Und es folgte – nichts. Wir wurden mitgerissen von den wilden Gestalten, zeitweise auch von schwarzen Händen gepackt, doch nur, als wollten sie brüderlich uns drücken. Wir sahen über uns die geschwungenen Krummschwerter, sahen in drohende Gewehr- und Revolverläufe, sahen andererseits in begeisterungdurchglühte dunkle Augen. Aber uns – nein, uns galt all das nicht, ganz und gar nicht. Ja, man suchte sogar uns freie Bahn zu machen. Na, und schließlich, ein wenig zersaust, zerdrückt, ein wenig erhitzt und wohl auch „durchgedreht“, nicht aber im allergeringsten in bösem Sinne behelligt, so fanden wir uns auf der Freitreppe des Kaiserlichen Palastes wieder, gerade zur rechten Zeit, um noch ein Exemplar der zur Verteilung gelangenden, kurzen schriftlichen Inhaltsangabe der Proklamation zu erhaschen, dessen Abschrift (Uebersetzung erfolgte in Senftenberg. Die Schriftl.) ich folgen lasse:

Der Löwe, der Bezwinger des Stammes Juda.
Haile Selassie I.
Von Gottes Gnaden Kaiser von Ethiopien.
Erlaß.

Der fast seit einem Jahre zwischen uns und Italien bestehende Konflikt begann in Ual-Ual am 5.12. vorigen Jahres. Unsere einer internationalen Kommission als Eskorte dienenden Soldaten wurden dort auf unserem Gebiet von der italienischen Truppe angegriffen. In Verfolg dieses Angriffs forderte Italien von uns Reparationen und Entschuldigungen, was wir zurückwiesen. Und als wir nach vielen Widerstreben seitens Italiens, dank unserer Beharrlichkeit und den Anstrengungen des Völkerbundes, diesen Streit vor das Schiedsgericht zu bringen in der Lage waren, erkannte dieses einstimmig an, daß wir von der Verfehlung, die uns Italien zuschrieb, frei waren. Infolgedessen wiesen die Schiedsrichter unsere von Italien unberechtigt geforderte Verurteilung zu Reparationen und Entschuldigungen zurück. Aber Italien, das seit langem seinen Wunsch unser Land zu unterjochen, nicht mehr verbirgt, rüstet zum Angriff. In Mißachtung seiner unter den Völkerbundspakt gesetzten Unterschrift, unter Verletzung der uns im italo-ethiopischen Vertrag von 1928 feierlich gemachten Versprechungen, unter Hinwegsetzung über seine internationalen Verpflichtungen und insbesondere über den Kriegsverzichtpakt, steht Italien nicht an, ein zweites Mal unser Hoheitsrecht zu verletzen. Ernst ist die Stunde. Ein jeder stehe auf, ergreife die Waffen und eile herbei auf den Ruf des Vaterlandes zu seiner Verteidigung! – Soldaten, schart euch um eure Führer!
Gehorcht ihnen in Herzensgemeinschaft und weist den Eindringling hinaus! Wer infolge seiner Schwäche oder Untauglichkeit an diesem heiligen Kampfe nicht teilnehmen kann, helfe uns mit seinem Gebet! Die ganze Welt ist entrüstet angesichts der uns drohenden Gewalt. Gott wird mit uns sein. Erhebt euch alle! Für Kaiser und Reich!

Addis Abeba, den 3. Oktober 1935.

Die Verlesung der Kaiserl. Proklamation btr. d. Generalmobilmachung

Inzwischen haben die Dinge ihren weiteren Lauf genommen. Die Italiener haben im Norden wie im Süden angegriffen. Trotz tapfersten Widerstandes der Ethiopier ist nunmehr Adua doch gefallen. Das Volk ist entflammt von Haß gegen den „Erbfeind“. Und doch ist keinem Italiener hier etwas geschehen. Man hat die Italiener im Gebiet der italienischen Gesandtschaft konzentriert. Man hat scharfe Ueberwachungsmaßnahmen durchgeführt. Doch hat da, wo Italiener sich in den Straßen zeigen, keine Handgreiflichkeit, nicht einmal eine Beschimpfung sie getroffen.

Noch einmal hat die „starke Hand“ der Landeshauptstadt, hat der Gouverneur Blata Takele Wolde Hawariat ein sehr energisches Wort an die Bevölkerung gerichtet, ja nicht die Fremden des Landes in den Haß gegen den italienischen Feind einzubeziehen, vielmehr die Fremden als Gäste des Landes zu betrachten und zu behandeln. Sein Erlaß lautet wie folgt:

„Verwaltung der Stadt Addis Abeba.

Oeffentliche Bekanntmachung.

Wie die Bevölkerung weiß, und zwar gemäß der Bekanntmachung vom 3. Oktobr, hat die italienische Regierung den Angriff gegen Ethiopien befohlen. Obwohl natürlich die Bevölkerung Ethiopiens zur Verteidigung des Vaterlandes gegen den Feind aufgerufen ist, muß sie andererseits sich klar darüber sein, daß unter dem Begriff „Feind“ lediglich die I t a l i e n e r zu verstehen sind, die in feindlicher Absicht die ethiopischen Grenzen überschritten haben und mit der Waffe ethiopisches Blut vergießen wollen. Nicht aber darf man mit diesem unserem Feinde, den Italienern, etwa auch andere Fremde verquicken, die zu uns gekommen sind, um mit uns in friedlicher Arbeit friedlich zu leben, mögen sie nun in Addis Abeba oder auch außerhalb weilen.

Ethiopien ist in der Welt bekannt als ein Land, wo Gastlichkeit und Achtung auch vor dem Fremden Geltung hat, mit dem es Frieden und Freundschaft unterhält.

Wir wollen diesen Ruf nicht verlieren. Darum wird hiermit verkündet, daß die Bevölkerung keinerlei feindschaftliche Empfindungen hegen darf gegen die Fremden, die unter uns leben und unsere Freundschaft suchen. Die Pflicht des Ethiopiers ist die, an die Front zu gehen und dort den Feind des Landes zurückzuschlagen.

Wer aber unter dem Vorwand des von den Italienern heraufbeschworenen Krieges etwa Haß säen würde gegen sonstige Fremde oder einen derselben beleidigen sollte, würde gemäß den einschlägigen gesetzlichen Verordnungen auf’s Strengste bestraft werden.

Sonnabend, den 5. Oktober 1935.

Der Gouverneur der Stadt.“

Und sehr klar und scharf sind die Weisungen, die im Sinne unbedingten Schutzes der Fremden im Lande der Gouverneur nochmals seiner Polizei erteilt hat. Man sorge sich außerhalb nicht um uns hier unten! Hier hat es bisher keinerlei blutige Unruhen, keinerlei Gehässigkeiten gegen Fremde gegeben.

Wir alle hier – sofern es nicht ganz jämmerliche Angsthasen sind, wie solche natürlich nirgends fehlen – sehen nach bisherigem Verlauf der Dinge zu irgendwelcher Besorgnis um unser Schicksal auch nicht den allergeringsten Anlaß. Das möge die ferne Heimat zu beruhigender Kenntnis nehmen!!!