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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 12.Oktober 1935
21.

Addis Abeba, 10. Sept. 1935.

Die Bodenschätze Ethiopiens in kurzer Uebersicht.

Die bekannte ethiopische Konzessionsangelegenheit, die selbst heute noch die Gemüter in den Ländern der alten wie neuen Welt beschäftigt, obwohl man sie „erledigt“ hat, legt die Frage nahe, was denn in der Tat an Bodenschätzen in Ethiopien vorhanden ist. Betrachten wir zunächst das Gebiet, dessen Ausbeutung die ethiopische Regierung der African Exploitation and development Corporation überließ: Nördlich der Bahn Djibouti – Hauasch, in der Dankali-Wüste und in der Provinz Außa, finden sich erhebliche Kali- und Nitrat-Vorkommen, ferner größere Lager von Natriumchlorid. Die Petroleumvorkommen in diesem Gebiet sind noch nicht näher erforscht. Man weiß bisher nur, daß tatsächlich Petroleum vorhanden ist. Ob aber seien Ausbeutung lohnen würde, hat man bisher noch nicht festgestellt. Südlich der besagten Bahnlinie – in den Provinzen Harra und Ogaden – sind erhebliche und abbauwürdige Petroleumvorkommen festgestellt worden. Der Abbau dieser kann als wirtschaftlich auch inbezug auf die Transportfrage bezeichnet werden; denn das gewonnene Petroleum könnte mittels einer „Pipeline“ (Rohrleitung) von 300 bis 400 Kilometer Länge ohne allzu große Kraftanlagen nach den Häfen Zeila oder Berbera in Britisch-Somaliland gepumpt werden. In der Provinz Harrar finden sich ferner große Mica (Glimmer)-Lager. In der Nähe der Stadt Asbeth Taffari im Tschertscher-Gebirge harren große Vorkommen hochwertigen Marmors der Erschließung. Auch Eisenerz und Schwefel kommen in diesem Gebirge vor, ohne daß bisher auch nur ein Anfang zu ihrer Ausbeutung gemacht worden wäre. In der Provinz Bali (westlich der Provinz Ogaden) sind größere Lager von Natriumchlorid im Abbau begriffen. Zu obigen Ausführungen über das Gebiet, das in den Bereich der viel erörterten Konzession gehört, ist schließlich zu sagen, daß von einer eigentlichen bzw. systematischen Prospektierung in diesem bisher noch gar keine Rede sein kann. Geologisch ist vielmehr dieses Gebiet noch fast Neuland. Nach den Bodenformationen und der geologischen Beschaffenheit des Landes ist anzunehmen, daß man im Süden und Südosten Ethiopiens noch Bodenschätze entdecken wird, an deren Vorhandensein heute noch niemand denkt.

Wir gehen nun über zu dem Gebiet nördlich des Blauen Nils: Gefunden wurden dort bisher Eisenerze, Nitrate und Kohle.

Die Eisenerze werden bereits abgebaut, jedoch nur in kleinstem Maßstabe für den Bedarf der einheimischen Schmiede. Die Nitrate, von den Ethiopiern „Tschau Barud“ – d.i. „Pulver-Salz“ – genannt, verwendet der Ethiopier lediglich zur Herstellung seines übrigens ziemlich minderwertigen Schwarzpulvers. Steinkohle liegt hier zum Teil zu Tage. Sie wird aber gar nicht abgebaut, da sie vom Regen ausgelaugt und daher minderwertig ist. Nach diesen Funden zu urteilen, würde man jedoch ganz sicherlich in tieferen Schichten eine gute Industriekohle finden.

In der Nähe der Landeshauptstadt Addis Abeba gibt es Eisenerze und wiederum Kohle. Nichts davon aber wird bisher abgebaut. In der Provinz, in der die Landeshauptstadt liegt – Schoa –, finden wir den kleinen Ort Muger. In dessen Nähe sind große Lager erstklassigen Kalkes vorhanden, die auch abgebaut, im übrigen wesentlich der Bautätigkeit in Addis Abeba nutzbar gemacht werden. Große Kalk- und Gips-Lager finden sich ferner in südöstlicher Richtung von Addis Abeba, am Flusse Guder. In der Nähe der Eisenbahnstation Modjo sind alle Voraussetzungen für den Aufbau einer Zement-Fabrik gegeben, da dort in reichlichem Maße die Rohstoffe für Zementfabrikation – Kalk, Sand, Eisenerz und Holz – vorhanden sind.

Besonders reich an Bodenschätzen aber ist der Westen Ethiopiens. In der Provinz Beni-Schangul sind reiche Gold- und Platinvorkommen effektiv festgestellt und zwar von einem deutschen Geologen. Quarzadern mit 4 bis 8 Gramm Gold pro Ton wurden gefunden. Bei den Orten Dul und Dis erwarb vor etwa 3 Jahren der Deutsche Schmidt von der ethiopischen Regierung eine Goldkonzession. Waschgold und Waschplatin finden sich reichlich in den beiden Flußgebieten des Dabus und Birbi. Eine französische Gesellschaft (Prasso) wäscht im Birbirgebiet Platin schon seit vielen Jahren und erzielt gute Ausbeute. In West-Ethiopien hat man auch Kupfer, Blei, Zink, Zinn, Wolfram, Eisenerze und Edelsteine gefunden. Wieder muß gesagt werden, daß hier nur an wenigen Plätzen systematisch prospektiert wurde. Der Großteil des Westens ist geologisch noch garnicht durchforscht. Es sei hier ausdrücklich bemerkt, daß ganz absichtlich alle die kleinen bzw. in ihrem Umfange noch garnicht auszumachenden Mineralvorkommen außer Betracht gelassen wurden. Tatsächlich besitzt Ethiopien wohl alle die Rohstoffe, die gerade Italien fehlen. Es ist alo recht verständlich, wenn schon aus diesem Grunde Italien dringend den Reiz verspürt, Ethiopien zu annektieren und seinen wirtschaftlichen Interessen dienlich zu machen. Es ist aber ebenso zu verstehen, wenn – abgesehen hier von den politischen Momenten, die gerade für England im Speile liegen! – in gleichem Maße England sich für das ethiopische Land und seine Ausbeutung interessiert.


22.

Addis Abeba, 12. Sept. 1935.

Die Sklaverei in Ethiopien.

Die Frage der Sklaverei ist eines der Hauptargumente der italienischen Propaganda gegen Ethiopien. Es erscheint daher interessant genug, diese Frage einmal restlos – fine ira er studio – zu durchleuchten. Als im Jahre 1923 Ethiopien in den Völkerbund aufgenommen wurde, verpflichtete es sich bekanntlich, die Sklaverei abzuschaffen. Tatsächlich erließ im Verfolg dieser eingegangenen Verpflichtung die ethiopische Regierung vom Jahre 1924 ab eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die die Sklaverei abschaffen sollten und den Sklavenhandel mit schwersten Strafen, bei schweren Verstößen sogar mit dem Tode belegten. Zunächst einmal besagte ein erstes Gesetz, daß nunmehr jeder Ethiopier ein freier Mann, jede Ethiopierin eine freie Frau sei. Hätte man im Verfolg dessen nun etwa die Besitzer von Sklaven gezwungen, ihre Sklaven und Sklavinnen zu entlassen, so wäre die Folge die gewesen, daß ein ungeheures Heer von Arbeitslosen auf der Straße gelegen und sich sowohl zu einer wirtschaftlichen Belastung wie darüber hinaus zu einer sozialen Gefahr für das Land entwickelt hätte. Also war man gezwungen, den bestehenden Zustand trotz gesetzlich vollzogener Abschaffung des Begriffes „Sklave“ praktisch nur in ganz langsamen Tempo abzubauen. Und das geschah und geschieht dadurch, daß einmal Kinder von Sklaven automatisch frei sind, daß ferner nach dem Tode seines Herrn jeder Sklave (und Sklavin) seine Freiheit gewinnt. Verboten ist ebenso die Weitergabe von Sklaven – ganz gleich, in welcher Form – von einem Besitzer an einen anderen. Darüber hinaus kann jederzeit jeder Sklave auf Antrag seine Freiheit gewinnen. Solch Antrag ist zu richten an das «bureau de l‘ esclavage», das unter Leitung des Likamakuas Mangascha zur Bearbeitung und Erledigung aller die Sklaverei betreffenden Fragen zugleich mit dem Erlaß der ersten einschlägigen Gesetze eingerichtet wurde. Müssen wir nach Sachlage sagen, daß die Sklaverei Ethiopiens zwar abgeschafft ist, daß aber das Heer der Sklaven in seiner großen Masse – und es mag doch etwa eine halbe Million zu veranschlagen sein – heute doch nach wie vor im Dienste seiner Herren verblieben ist, und dies ganz einfach deshalb, weil eben diese Masse anderenfalls dem Hungertode preisgegeben wäre, so ist wesentlich, das Los eben dieser „Sklaven“ von einst wie heute, zu beleuchten. Hier ist zunächst einmal vorauszusetzen, daß in Ethiopien wie ja fast durchweg im Orient das Familienleben „patriarchalisch“ ist. Der Sjklave aber ist durchaus Familienmitglied. Rein äußerlich geht das schon daraus hervor, daß der Ethiopier seine Sklaven „Lidjotsche“ – das heißt „meine Kinder“ – nennt. Und diese „Kinder“ führen nach europäischen Begriffen ein geradezu „Schlaraffen“-Leben, das tatsächlich nur selten durch so etwas ähnliches wie „Arbeit“ peinlich unterbrochen wird.

Der Sklave begleitet – der Menge entsprechend nur dann und wann! – seinen Herrn auf seinen Ausritten und trägt dann seinen Börnus (Kapuzenmantel), die Sandalen, die Aktenmappe oder dergleichen; ist er zum Leibdiener avanciert, auch das Gewehr. Im Hause hilft er – zufolge der großen Zahl wiederum nur mit erheblichen Zeitabständen – seinem Herrn beim Ankleiden und erledigt sonstige leichte Hausarbeiten, serviert beim Essen usw. Die Tätigkeit der Sklavinnen ist analog. Diese Hausarbeiten sind ebenso einfach wie leicht, da im ethiopischen Hause kaum überhaupt Möbel vorhanden sind und selbst vornehme Abessinier Behausungen nur kleinster Ausmaße bewohnen. Das viel bejammerte Los der ethiopischen Sklaven besteht in der Tat also im Wesentlichen darin, daß er neben sehr weniger und sehr leichter Arbeit – sagen wir lieber „Betätigung“ – gut ißt, gut trinkt, ergiebig schläft, seine faule Haut sich von der Sonne bescheinen läßt und – zahllose Kinder in die Welt setzt, für die ja wiederum andere zu sorgen hatten und gewohnheitsgemäß heute noch sorgen. Daß diese erbliche Drohnenschicht auf absehbare Zeit hinaus zu dem Begriff „Arbeit“ und damit zu eigener Existenzmöglichkeit nimmermehr zu bringen ist, braucht kaum gesagt zu werden. Kein Europäer würde in Ethiopien einen „Sklaven“ in irgendwelche Beschäftigung nehmen. Die Regierung hat ernste Versuche gemacht, Sklaven anzusiedeln, hat ihnen Land, Vieh, Ackergeräte usw. gegeben. Der Erfolg war, daß nach kurzer Zeit die so angesiedelten Sklaven alles verjubelt hatten, keinen roten Heller mehr besaßen und von neuem der Regierung zur Last fielen. Erfreuliche Erfolge hat die Regierung lediglich mit der Erziehung von Sklaven-Kindern gemacht, die in besonderen Schulen unterrichtet werden, ein Handwerk erlernen und so zu brauchbaren Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft gemacht werden.

Um für ihre ernsten Bestrebungen, die Sklavenfrage zu lösen, dem Völkerbunde gegenüber sich einen einwandfreien Zeugen zu schaffen, berief die ethiopische Regierung den zuvor im Dienst der englischen Regierung im Sudan tätig gewesenen Engländer de Halpert, der als Ratgeber dem zuvor bezeichneten „bureau de l‘ esclavage“ zugeteilt wurde. Trotz vierjähriger Tätigkeit hat de Halpert der ethiopischen Regierung aber keine praktischen Ratschläge in Richtung sofortiger Lösung der Sklavenfrage erteilen können. Es ist also ein Unrecht, wenn immer wieder in den Zeitungen fremder Länder die Sklavenfrage herangeholt wird, um Ethiopien in der Weltmeinung zu degradieren.

Wer hier kritisiert, der suche statt solcher „Kritik“ lieber praktisch zu helfen! Für eine Hilfe im Sinne der Beschleunigung der Lösung der Sklavenfrage gibt es aber nur einen Weg; und das ist die Bereitstellung ganz gewaltiger Geldmittel, im übrigen a fond perdu. Die Ethiopische Regierung hat solche nicht. Es wäre eine dankbare Aufgabe für die Internationale Antisklavenliga, die ja vor einigen Jahren eine Kommission nach Ethiopien entsandt hatte, diese Mittel aufzubringen und damit eben an Stelle theoretischer Ratschläge praktische Hilfe zu setzen!